Ausatmen und der Zustand „wach, aber keine Gedanken“

Ausatmen. Es sind die kleinen und oft übersehenen Hinweise, die in der Meditation weiter bringen. Auf das Ausatmen zu achten birgt einen besonderen Schlüssel. Es geht um den Zustand von „wach, aber keine Gedanken“.

ausatmen

 

Es sind diese kleinen und oft übersehenen Hinweise, die in der Meditation weiter bringen.

Wer schon etwas meditiert, der kennt wahrscheinlich diese Anweisung: Auf den Atem achten.

Gut, ich achte auf meinen Atem. Und dann? Ich achte auf meinen Atem und dann ist er wieder vergessen. Ich erinnere mich etwas später: Ach ja, mein Atem.

Und schließlich denke ich vielleicht: Was soll das denn? Eigentlich ist es doch gar nicht so bedeutsam, ob ich auf meinen Atem achte. Es kommt doch darauf an, achtsam zu sein. Da ist jeder Fokus recht. Das kann doch auch eine Blume, eine Kerzenflamme oder ein Mantra sein.

Das ist richtig. Und. Auf den Atem zu achten birgt noch einen besonderen Schlüssel. Es geht speziell um das Ausatmen.

Ich sage vielleicht: Auf das Ausatmen achten? Na klar. Wenn ich auf das Atmen achte, dann achte ich auch auf das Ausatmen.

Es heißt: Das Ausatmen betonen. Was soll das denn nun wieder? Soll ich den Atem jetzt pressen? Soll es einen Ton geben?

Was hier empfohlen wird, ist sehr subtil.

Das Ausatmen betonen. Machen wir das doch einmal tatsächlich und in der Praxis. Wenn ich ausatmen will, muss Luft in er Lunge sein. Wenn das Ausatmen lang sein soll, dann muss ich viel Luft in der Lunge haben. Also atme ich einmal ganz tief ein. So richtig kräftig.

Die Lunge braucht Platz, um ihr Volumen zu entfalten. Dieser Raum ist gewährleistet, wenn der Rücken gerade ist und die Schultern nach hinten und eher nach unten weisen.

Wenn ich tief und langsam einatme, dann nutze ich einen größeren Teil der Lungen. Ich nutze gezielt den gesamten zur Verfügung stehenden Raum der Brust und des Bauchs und die Luft erreicht alle Bereiche der Lunge – den oberen Teil, die Lungenspitzen, die Seiten und den unteren Teil bis tief in den Bauch hinein. Der Brustkorb weitet sich. Die Rippen gehen ganz weit auseinander. Gleichzeitig weitet sich auch der obere Brustraum und synchron der Bauchraum. Das Zwerchfell wölbt sich nach oben.

Das braucht etwas Übung, damit es gut klappt.

Und nun atme ich aus. Ganz langsam. Das Ausatmen soll deutlich länger sein als das Einatmen. Dabei ist etwas wichtig: Ich atme durch den Mund aus. Da ist auch ein wenig Druck aus dem Rachenraum. Da ist so etwas wie ein Hauchen. Aber völlig lautlos.

Weshalb das so ist? Da kann ich nur sagen, dass das lange Erfahrung ist. Es funktioniert so.

Und jetzt konzentriere ich mich ganz auf dieses lautlose Ausatmen. Wenn man beim Hals-, Nasen- und Ohrenarzt ist, steckt der mir schon mal ein Stäbchen in den Mund und fordert mich auf, „Ah“ zu sagen. Das ist so ähnlich – aber ohne, dass ich das „Ah“ wirklich ausspreche. Und nun ganz ganz lange ausatmen. Ein sehr langer Atem, ganz leise, leicht und sanft und tief bis in einen Bereich etwas unterhalb des Nabels.

Wenn ich ausgeatmet habe, zögere ich vielleicht ein wenig, bis ich wieder einatme. Das ist aber nur ein kurzer Moment – ohne Anstrengung, ganz natürlich.

Dann wieder tief einatmen und noch einmal ganz lange ausatmen.

Ich kann den gesamten Atemvorgang bewusst beobachten und steuern, wie sich erst der Brustkorb leert, dann der Bauch, indem sich die Bauchdecke senkt, dann kommt eine kleine Lücke, dann strömt die Luft wieder in den unteren Bauchraum, das Zwerchfell bewegt sich, die Bauchdecke hebt sich, die Rippen weiten sich, die Luft strömt bis in die äußeren oberen Lungenflügel. Ich verfolge auch den Lauf der Luft durch die Bronchien, den Rachen. Ich spüre den Lufthauch.

Wenn ich das ein paar Mal wiederhole, dann bin ich automatisch in einem anderen Zustand – so etwas von „wach, aber keine Gedanken“.

Um diesen Zustand geht es. Ich bekomme ihn für einen kurzen Augenblick mit. Ich spüre einen Funken davon. Ich werde nicht immer in diesem Zustand bleiben. Aber ich habe ihn mal kennengelernt. Dann weiß ich, wonach ich suche.

Wenn ich diesen Zustand einmal bewusst gekostet habe, dann versuche ich ihn erneut zu erlangen. Wer das übt, der wird in der Meditation weiter kommen. Versprochen.

Das klingt so banal und alltäglich. Deshalb glaube ich es erst vielleicht nicht. Es ist aber nur scheinbar banal. Erst wer länger meditiert, merkt vielleicht, wie wichtig diese Hinweise sind und wie hilfreich. Das sind die Tricks, die zeigen, wie es wirklich geht.

 

Ein Beitrag, in dem es allgemein um den Atem geht:

https://www.raumfuermeditation.de/ruhig-atmen/

Durch bewusstes Atmen negative Emotionen vertreiben:

https://www.raumfuermeditation.de/negative-emotionen/

Hier geht’s zu den Tipps zur Meditation:

https://www.raumfuermeditation.de/meditation-tipps/

Das ist die Startseite zu “Raum für Meditation”:

https://www.raumfuermeditation.de/ 

 
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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Claudia

    Hallo Tomo!
    Ja, immer wieder dieses Atmen. Manchmal sage ich im Scherz „Atmen wird völlig überbewertet.“ Na ja, als menschliches Lebewesen mit Körper brauche ich wohl Sauerstoff. Biologie halt.
    Beim Meditations-Atmen ist da noch etwas Anderes: Einatmen – Ausatmen – Einatmen – Ausatmen. Zwei Dinge fallen mir ein: Sogyal Rinpoche sagt „Sterben ist ganz einfach, einatmen – ausatmen – einatmen – ausatmen – nicht mehr einatmen.“ So einfach ist das. Ein Teil von mir ist damit tatsächlich glücklich. Ein anderer Teil, Monkeymind, gerät bei solchem glücklich sein natürlich in totale Panik. Aber inzwischen weiss ich immerhin manchmal, dass er, Monkeymind, damit lediglich seiner ureigenen Aufgabe nachkommt, er macht seinen Job. Daß er den so übertrieben macht, daß er mich meistens völlig beherrscht, das ist eine andere Sache: ich bin ja nicht Monkeymind, ich habe einen Monkeymind. So weit bin ich schon mal, mal sehen wie es weitergeht.
    Aber zurück zum Atmen. Das zweite Ding, das mir einfällt, ist dieser unglaubliche Moment zwischen dem Einatmen und dem Ausatmen. Der Moment, in dem ich tatsächlich im Hier und Jetzt bin, nämlich eben nach dem Einatmen und vor dem Ausatmen. Was ist da? Schwerelosigkeit? Leerheit? Raum- und Zeitlosigkeit? Hier würde ich gerne wieder unsere buddhistischen Physiker befragen, vielleicht wissen die weiter.

  2. Tomo

    Danke liebe Claudia. Das ist ein schöner Kommentar. Diesen kleinen Augenblick des Innehaltens beim Atmen halte ich auch für besonders.

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