Ein guter Tag. Jeder Tag ist ein guter Tag! Eine japanische Zen-Kalligraphie über diesen Tag

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Ein guter Tag. Das Zitat von einem großen Meister des chinesischen Zen: Jeder Tag ist ein guter Tag! Aber. Gibt es nicht Tage, die alles andere als gut sind? Gibt es so etwas wie gut oder schlecht überhaupt? Auf diesen Tag folgt ein neuer Tag. Jeder Augenblick ist immer wieder neu und frisch.

ein-guter-tag

An dieser Kalligraphie kann man wunderbar und beispielhaft das Ineinandergehen von einem meisterhaften Kalligraphen sehen, der ein fast noch zeitgenössischer Zen-Meister ist und einem Beitrag aus einer überlieferten und bis heute verwendeten Beispielsammlung sowie dem Meister, von dem dieses Beispiel ursprünglich stammt.

Die Kalligraphie ist als Hängerolle montiert, insgesamt fast einen Meter lang und zeigt fünf Schriftzeichen:

  Tag

  Tag

是  ist, richtig

  gut, gern haben

  Tag

Die Quelle

Das ist ein Zitat aus dem sechsten Beispiel der Koan-Sammlung Bi-Yän-Lu oder der Niederschrift von der smaragdenen Felswand – zusammengestellt in China um 1100 n. Chr.:

Einst fragte Yün-men seine Schüler: „Ich möchte nicht wissen, wie die vergangenen fünfzehn Tage waren. Sagt etwas über die nächsten fünfzehn Tage!“ Weil alle still blieben, antwortete der Meister selbst: „Jeder Tag ist ein guter Tag!“

Gedanken dazu

Was bedeutet das? Was können wir daraus lernen?

Tag für Tag ist ein guter Tag. Da steckt eine Wertung drin. Es ist doch nicht jeder Tag gut. Gibt es nicht Tage, die alles andere als gut sind, so Tage, an denen eine dunkle Wolke über uns zu schweben scheint und alles schief geht – wirklich alles?

Gibt es so etwas wie gut oder schlecht überhaupt? Das sind immer subjektive Urteile. Gut und schlecht kann es absolut nicht geben, sondern immer nur mit einem Bezugspunkt. Was ist denn nun gut oder schlecht? Was für den einen gut ist, ist vielleicht für den anderen schlecht. Und was im Augenblick schlecht aussieht, kann sich später als gut herausstellen.

Was soll das dann: ein guter Tag?

Da kann die Aufforderung hinter stecken, jeden Tag als guten Tag anzusehen. Wenn gut und schlecht subjektiv sind, dann kann ich mich für gut entscheiden, wie die äußeren Umstände auch immer sein mögen.

Und ich kann es auch von einem absoluten Standpunkt aus ansehen. Ich kümmere mich um gut oder schlecht nicht. Es ist jetzt so wie es ist. Ich kann es nicht ändern. Ob ich jammere oder nicht. Das Jammern wird es nicht verändern.

Aber meine Einstellung kann ich ändern. Vielleicht kann ich aus der Situation Kraft ziehen, etwas lernen, Erfahrung sammeln. Insofern kann alles gut sein.

Da fällt mir ein alter Ratschlag ein: Wie ich meine Nulllinie justiere. Es gibt Menschen, die erwarten immer das Schlechteste. Meine Mutter war so eine. Die sagte, wenn ich von dem Schlechtesten ausgehe, dann kann ich höchstens positiv überrascht werden.

Ich finde diese Einstellung nicht empfehlenswert. Sie bedeutet ja, dass ich immer davon ausgehe, dass sich die Dinge für mich schlecht entwickeln. Dass alles schief läuft, ist für mich dann der Normalzustand. Wenn die Dinge gut laufen, dann kommt so ein Gefühl von: Es ist irgendetwas falsch. Oder: Das habe ich nicht verdient. Und ich tue alles, bis ich meinen Normalzustand wieder erreicht habe. Dann geht es mir zwar schlecht, aber das ist das, was ich kenne und wo ich mich sozusagen zu Hause fühle.

Das ist eine Möglichkeit. Genau so gut kann ich den positiven Bereich als den Normalbereich definieren. Dann sind die guten und die schlechten Tage vielleicht ähnlich wahrscheinlich. Wenn es mal nicht so gut läuft, dann werde ich aber alles tun, damit es wieder besser wird und bis ich mich wieder wohl fühle.

Es liegt in meiner Hand, wo ich die Nulllinie festlege, im negativen Bereich, im neutralen, im positiven oder im weit positiven Bereich.

Es gibt noch eine zweite Fassung des Spruchs. Da heißt es: Tag Tag neuer Tag. Hier gibt es keine offensichtliche Wertung. Da könnte aber hinter stecken: Wenn es jetzt schlecht ist, dann kann es morgen wieder gut sein. Oder auch umgekehrt. Wenn es jetzt gut ist, könnte es auch mal schlechter gehen. Nichts bleibt, wie es ist. Es geht immer weiter. Auf diesen Tag folgt ein neuer Tag.

Tag für Tag neuer Tag. Es wird immer weiter gehen. Es ist immer wieder jetzt und dieses Jetzt ist immer wieder neu und frisch. Die Zeit wird in jedem Augenblick ganz neu geboren – es hat sie so noch nie vorher gegeben.

Und: Auch dies wird vergehen. Ob ich es nun als gut oder schlecht ansehe. So ein Tag so wunderschön wie heute. So ein Tag der sollte nie vergehen. Er wird vergehen.

Tag für Tag neuer Tag. Aber nicht in dem Sinn: Ach, morgen ist auch noch ein Tag. Das sollte keine Begründung für ein Aufschieben sein.

Tag für Tag neuer Tag. Begegne jedem Tag neutral: Ohne Furcht und auch ohne Hoffnung.

Über den Meister, von dem das Zitat stammt und über den Kalligraphen

Das Zitat stammt von Yun-men Wen-yan. Er lebte von 864 bis 949 und gehört zu den größten Meistern des chinesischen Zen – bewundert und gefürchtet für seine derbe und unkonventionelle Art.

Der Kalligraph ist Adachi Taido (足立泰道), der sich auch Sosei nannte. 1937 in Toyooka geboren wurde er Zen-Mönch der Rinzai Schule und ab 1986 Hauptpriester der Daitoku-ji Tempel in Kyoto. Er starb 2009.

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ZEN + NICHT-ZEN. Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Franz

    Optimismus und Dankbarkeit sind immer gut 🙂

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