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Das Herzsutra ist der vielleicht wichtigste Text des Buddhismus. Als Entstehungsort wird der Geiergipfelberg in Rajgir im heutigen indischen Bundesstaat Bihar genannt. Der Text enthält die Antwort des Avalokiteshvara auf eine Frage des Shariputra, während der Buddha dort in tiefem Samadhi verweilte.

Dieser Text hat mich schon begeistert, als ich noch nichts davon verstand; so chaotisch, so verrückt, wie ein Text des Dadaismus oder Surrealismus. Er zeigt, was alles ist und was nicht ist. Keine Nase, kein Auge, keine Erleuchtung. Selbst die offensichtlichsten Dinge und sogar die heiligsten Dinge des Buddhismus soll es nicht geben? Einfach verrückt. Er sagt, dass es alles gibt und doch nicht gibt.

Im Kern heißt es im Herzsutra:

„Form ist Leerheit. Und Leerheit ist auch Form. Leerheit ist nichts anderes als Form. Form ist nichts anderes als Leerheit. Genauso sind Gefühl, Wahrnehmung, Wille und Bewusstsein leer. Alle Dinge dieser Welt sind leer – sie haben keine feste Substanz und haben keine besonderen Eigenschaften. Es gibt kein Entstehen und kein Vergehen. Es gibt keine Unreinheit und keine Reinheit, kein Zunehmen kein Abnehmen. In der Leerheit gibt es keine Form, kein Gefühl, keine Wahrnehmung, keinen Willen, kein Bewusstsein, kein Auge, kein Ohr, keine Nase, keine Zunge, keinen Körper, keinen Geist, keine Erscheinung, keinen Klang, keinen Geruch, keinen Geschmack, keine Berührung, es gibt nichts, das wir wahrnehmen können. Es gibt nichts, das wir sehen und nichts, das wir erkennen können. Es gibt kein Nichtwissen und kein Aufhören des Nichtwissens, kein Altern und kein Sterben und kein Aufhören von Altern und Sterben. Es gibt kein Leiden, keinen Ursprung des Leidens und kein Beenden des Leidens. Es gibt keinen Weg, keine Weisheit, kein Streben und kein Nicht-Streben.“

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Alles, was wir für gesichert halten, wird in Frage gestellt. Das was wir sehen, alles was wir wahrnehmen soll nicht existieren. Und dann heißt es, es gibt die Dinge doch. Ja was denn jetzt? Und dann gibt es doch all diese buddhistischen Wahrheiten. Dass wir alle altern und sterben, dass wir Leid nicht verhindern können, dass es aber einen Weg aus diesem ganzen Elend gibt. Das soll auf einmal alles Quatsch sein?

Und zum Schluss gibt es noch ein Mantra:

GATE GATE PARAGATE PARASAMGATE BODHI SVAHA.

(Gegangen, gegangen, darüber hinaus gegangen – vollständig offen, erwacht – so sei es.)

Unsere Konzepte werden zertrümmert. Es geht um das, was Buddhisten Leerheit nennen. Die Dinge existieren, doch in ihrer Substanz sind sie leer – so wie sich ein Traum sehr real anfühlen kann, aber eben doch nur ein Traum ist. Das heißt, die Dinge sind nicht so richtig real, aber geben tut es sie doch.

Einer der tiefgründigsten Texte des Buddhismus.