Mahayana. Das Bodhisattva-Gelübde

Mahayana. Bodhisattvas sind gottgleiche Wesen, die in irgendwelchen Paradiesen weilen und zu denen man beten kann. Und jetzt soll ich versprechen, selbst so ein Wesen zu werden? Kann ich im Ernst sagen: „Es gibt unendlich viele fühlende Wesen. Ich gelobe, sie alle zu befreien.“?

mahayana

 

Um was geht es?

Kann ich etwas versprechen, bei dem von vornherein klar ist, dass weder ich noch irgendjemand anderes es einhalten kann?

Die Vorstellung von einem Bodhisattva macht den entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Hauptströmen des Buddhismus aus.

Der ursprüngliche Buddhismus geht davon aus, dass es unglaublich schwer ist, all das selbst abzutragen, das jeder einzelne im Laufe vieler Leben an schlechten Taten und Verdunklungen angesammelt hat.

Der Bodhisattva des sogenannten großen Fahrzeugs ist sozusagen der Turbo auf dem Weg zur Erleuchtung und das gleich in doppeltem Sinne: Ich kann mich an einen Bodhisattva wenden und der hilft mir dann, weiter zu kommen. Und ich kann versuchen, selbst ein Bodhisattva zu werden.

Buddhas und Bodhisattvas, das sind gottgleiche Wesen, die in irgendwelchen Paradiesen weilen und zu denen man beten kann. Und jetzt soll ich versprechen, selbst so ein Wesen zu werden? Das ist doch wohl ein Scherz. Oder?

Was ist ein Bodhisattva?

Ein Bodhisattva hat geschworen, Erleuchtung zu erlangen und damit alle seine Probleme zu überwunden, aber nicht, um selbst aus dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt auszusteigen, sondern damit so lange zu warten, bis er allen Wesen geholfen hat, vor ihm das ultimative Ziel der endgültigen Befreiung zu erreichen.

Das dürfte so ziemlich das gigantischste Versprechen sein, das möglich ist.

Ich habe mich immer gegen dieses Gelübde gewehrt. Wie soll ich etwas versprechen, von dem von vornherein klar ist, dass es niemand auch nur ansatzweise erreichen kann? Es geht einfach nicht. Das ist doch unredlich.

Kann dieses Gelübde trotzdem sinnvoll sein?

Ich denke, die Vorstellung, alle Wesen befreien zu müssen, verstellt den Blick. Früher oder später gehen alle diesen Weg und werden Erleuchtung erlangen.

Dies Gelübde ist wieder eines dieser Instrumente, diesen unseren Geist zu formen.

Wenn wir ganz letztlich alle irgendwann die Befreiung erlangen werden, dann kann ich mich ja schon mal auf den Weg machen. Es wird mich ganz sicher weiter bringen.

Ich bin nicht mehr ausschließlich auf mich selbst fixiert. Wenn ich tatsächlich Mitgefühl in meinem Geist verankert habe, dann versteht es sich eigentlich von selbst, dass ich alles vermeide, das den Wesen Schaden zufügen könnte. Damit bin ich einen guten Schritt weiter in Richtung Egolosigkeit und Nicht-Dualität und damit der Befreiung.

Dann verstehe ich dies Gelübde als Ansporn, als Inspiration, als eine Grundhaltung und einen Lebensstil.

Und gleichzeitig sollte ich das Gelübde durchaus ernst nehmen. Dadurch entwickele ich Gewahrsein und Achtsamkeit. Achtsamkeit heißt hier, mir das Gelübde immerzu zu vergegenwärtigen. Ich denke mehr über meine Taten nach, wäge ab, ob dies oder jenes hilfreich, richtig und zielführend ist. Das führt zu einer permanenten Anstrengung gepaart mit Achtsamkeit und Wachheit. Das sieht irgendwie wie eine ständige Meditation aus.

Ein Gelübde ist ein Versprechen, das ich mir selbst gebe. Normalerweise macht man ein Gelübde, um etwas zu erreichen. Das ist im Buddhismus anders.

Ich erwarte kein Gegenleistung. Ich kann gar nicht wissen, ob meine Anstrengungen irgendeinen Unterschied machen werden. Vielleicht bin ich erfolgreich, vielleicht aber auch nicht.

Das ist die Einstellung: Ohne Furcht und ohne Hoffnung. Egal, was geschieht, ich lasse mich nicht entmutigen. Wenn ich keinen Erfolg habe, dann muss ich vielleicht anders daran gehen.

Ich versuche aber das, was ich mache, möglichst gut zu machen.

Es geht gar nicht unbedingt um Resultate. Fertig bin ich ohnehin nie.

Ein Bodhisattva hilft allen Wesen bedingungslos, ohne zu werten und ohne Partei zu ergreifen. Er strebt keinen Lohn für sich an und er denkt nicht daran, dass er Verdienste erwirbt.

Und doch sammle ich durch das Gelöbnis und dessen Einhaltung Verdienste. Verdienst, das ist eine Kraft und ein Potential, das sich durch gute Taten und gute Gedanken ansammelt und das mich über kurz oder lang positiv beeinflussen wird.

Das ist eine mögliche Form des Bodhisattva-Gelübtes:

Es gibt unendlich viele fühlende Wesen.

Ich gelobe, sie alle zu befreien.

Gier, Hass und Unwissenheit entstehen unaufhörlich.

Ich gelobe, sie alle zu überwinden.

Die Lehren der Wahrheit sind unermesslich.
Ich gelobe, sie alle zu verstehen.

Der erleuchtete Geist ist unvergleichlich.

Ich gelobe, ihn zum Wohle aller Lebewesen zu erlangen.

Wofür stehen die tibetischen Wesenheiten?

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