Ruhig sitzen angesichts eines gewaltigen Berges

Ruhig sitzen. Auf diesem chinesischen Roll-Bild sind himmelhohe Berge zu sehen. Da passt das Wort majestätisch. Neben den Bergen verschwinden die Menschen. Der Berg lehrt Demut und Bescheidenheit. Wie unbedeutend sind alle Sorgen und alle Hindernisse angesichts dieser gewaltigen Berge. Das ist ein Bild, das zum Meditieren einlädt.

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Auf diesem Bild sind Berge zu sehen – himmelhohe Berge. Das Format passt zum Berg. Dieses Bild misst sagenhafte 3 Meter. Wie hoch und gewaltig müssen diese Berge sein, wenn schon ihr Abbild 3 Meter hoch ist? Und das Format, das eher die Höhe als die Breite betont, macht sie noch höher und noch gewaltiger. Sie scheinen nach oben gar nicht mehr aufzuhören. Das kann nur für „oben“ stehen, für himmelwärts, für das große Ziel ganz da oben und für Unendlichkeit.

Diese Berge sind gewaltig, überwältigend und irgendwie erhaben. Die kann man nicht übersehen. Da passt das Wort majestätisch. Das sind wirklich Könige der Berge.

Erst nach und nach zeigen sich die Details. Steinige Berggipfel in Herbstfarben inmitten kalter Wolken. Lebensbedrohende Abgründe. Von der wärmeren Erde lösen sich dichte milchige Nebelschwaden und ziehen in Schleiern die Berge hinauf. Auf moosgrünen Felsen wachsen Kiefern.

Wenn man genau hinsieht, erkennt man neben dem nackten Fels und einigen Nadelbäumen auch Behausungen – eine einsame Klause. Da haben sich Menschen auf dem Weg zum Himmel schon ziemlich weit vor gewagt. Weiter geht es nicht. Kein Pfad führt zum Gipfel.

Unten gibt es einen See. Etwas Wasser als Gegenpol zum Berg. Am Rande des Wassers als Fortsetzung einer schmalen Brücke ein wilder Pfad.

Neben den Bergen verschwinden die Menschen, die es auf diesem Bild auch gibt. Sie sind winzig. Ich entdecke einen Menschen, der sich der schmalen Brücke nähert und etwas trägt. Er ist noch ganz unten. Es scheint, als strebe er eine der Behausungen weit oben in den Bergen an. Mühsam, Schritt für Schritt, wird es bergauf gehen.

Vergleichsweise prominent steht links ein Gehöft in dessen Innenhof einsam ein Mann sitzt. Das ist ein Mensch, der nicht daran denkt, diese Berge zu erklimmen um sie zu erobern. Er ist schon angekommen. Das ist jemand, der Zuflucht gefunden hat. Er braucht die Welt nicht mehr. Er wirkt versunken. Lauscht er dem Ton der Kiefern?

Das ist ein Bild, das zum Meditieren einlädt.

Der Berg reduziert mich auf mein menschliches Maß. Ich bin einfach kleiner. Da gibt es keine Diskussion. Er lehrt Demut und Bescheidenheit. Wie unbedeutend sind alle Sorgen und alle Hindernisse angesichts dieser gewaltigen Berge.

Ich bin einfach nur da und schaue. Ich schaue und schaue und es nimmt gar kein Ende. Ich stehe da und schaue und nichts mehr. Einfach nur sein. Ich atme tief. Alles Denken hört auf. Da ist nur noch Berg.

Zur Ruhe kommen. Jenseits des Ichs. Und wenn „ich“ nicht mehr da bin, dann kann ich mitbekommen, was ist. Dann kann ich hören, was die Kiefern sagen und der Wind.

Unerschütterlich und unveränderlich wie der Berg. Alles so sein lassen wie es ist. Eine Art Leichtigkeit und Vertrauen. Die offenen Augen sehen durch die Dinge hindurch. Ruhen in großem Frieden und in großer Klarheit.

Es gibt ein berühmtes Gemälde aus der chinesischen Song-Dynastie, das Mǎ Lín im 13. Jahrhundert geschaffen hat. Dazu werden die Worte überliefert: „Ich lache mit meinem trunkenen Herzen. Jemand lauscht dem Wind, der durch meine geliebten Kiefern weht.“

Die hier besprochene Bildrolle ist wahrscheinlich von Mǎ Líns Werk inspiriert.

verweilen

 

 

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