Vernunft – eine japanische Kalligraphie

Vernunft. Eine japanische Kalligraphie mit zwei Schriftzeichen, die zusammen mit „Vernunft“ übersetzt werden. Vernunft spricht den Verstand und das logische Denken an. Ich denke nach, um Einsicht und Erkenntnis zu gewinnen. Würde ein Zen-Meister Vernunft propagieren?

vernunft

Eine japanische Kalligraphie mit zwei Schriftzeichen, die zusammen mit „Vernunft“ übersetzt werden. Bei Kalligraphien fasziniert immer wieder, welche Form das Schriftzeichen angenommen hat. Das sind nicht einfach Zeichen, die eine Information vermitteln. Die vorgegebener Form und die Bedeutung des Zeichens spielen und verschmelzen miteinander.

Ich sehe nüchterne dünne Linien. Da ist nichts dick Aufgetragenes oder Bauchiges. Eine gewisse Strenge und Nachdrücklichkeit scheint durch. Diese Kalligraphie unterstreicht den Begriff. Da gibt es keine Diskussionen, kein Abwägen und kein Vielleicht. Vernunft!

Die Form passt. Vernunft spricht den Verstand und das logische Denken an. Ich denke nach, um Einsicht und Erkenntnis zu gewinnen – ganz allgemein oder in einer gegebenen Situation. Vernünftiges Handeln setzt ein Überlegen voraus. Was führt am besten zum Ziel? Ich versuche sogar meine Vorlieben auszuschalten. Es ist wie eine mathematische Gleichung. Entweder sie geht auf oder nicht. Da spielt die Fähigkeit hinein, Informationen und Eindrücke intelligent zu verarbeiten und Aufgaben durch Denken sinnvoll zu lösen und das Vermögen zu klugem, umsichtigen und verantwortungsvollen Verhalten.

Passt das zu einem Zen-Meister? Würde ein Zen-Meister Vernunft propagieren? Vernunft hat mit Abwägen und Nachdenken zu tun. Vernunft – da steht das Denken im Vordergrund. Widerspricht das nicht allem, was wir über Meditation und Zen-Meister gehört haben? Die sind ja nicht gegen das Denken an sich. Das Denken ist eine natürliche Funktion unseres Geistes, die sehr nützlich ist. Wir brauchen das Denken überall, auch auf dem spirituellen Weg und beim Studium.

In der Meditation geht es aber gerade darum zu lernen, diesen ständigen Gedankenstrom, dieses Denken, das uns hier festhält und fesselt, einmal loszulassen und einen wachen Zustand zu erleben, der jenseits der Gedanken liegt. Dieser Zustand des Geistes ist der Schlüssel zur letztendlichen Erkenntnis. Grübeln und Nachdenken helfen da nichts. Dieses loszulassen ist ein Zweck der Meditation, der Koan-Praxis und des alltäglichen zurückgezogenen Lebens mit so banalen Tätigkeiten wie Putzen, Kochen, Kartoffeln-Schälen, Essen, Wäsche waschen.

Dieses ganz normale Leben funktioniert ganz gut ohne zu grübeln oder nachzudenken. Beim Fegen muss ich nicht groß entscheiden, ob ich erst hier fege oder erst da. Ich fege einfach und hinterher ist es sauber. Ein Tun, das ich mit ganzer Energie und ungeteilter Aufmerksamkeit zelebriere und das zu einer Meditation mit anderen Mitteln wird.

Sinnloses gewohnheitsmäßiges Denken ist die entscheidende Barriere vor der letztendlichen Erkenntnis. Erst wenn das normale Denken an seine Grenzen und zur Ruhe gekommen ist, wird letztendliche Erkenntnis möglich. Zu lernen, mich so weit auf das Sein einzulassen, bis ich mit ihm verschmelze. Ich betrachte keinen Bambus, ich analysiere nicht, ich denke nicht darüber nach, kalkuliere nicht seinen Nutzen. Ich werde Bambus.

Wer Vernunft als solche betont, meint etwas anderes. Das passt zu einem Menschen, der durch Denken Erkenntnis erlangen will. Dieser Kalligraph ist kein Zen-Meister, sondern ein Konfuzianer. Diese Philosophie vertritt eine rationale und weltliche Herangehensweise. In ihr geht es um Regeln, die eingehalten werden müssen, um Achtung der bestehenden Ordnung und um Einordnung und seinen Platz in der Gesellschaft zu sehen und ihn zu akzeptieren. Der Neo-Konfuzianismus gewann in Japan in der Edo-Zeit ab Mitte des 17. Jahrhunderts an Einfluss.

Der Kalligraph hieß Kinjo Ota. Er war ein Gelehrter, der 1765 im japanischen Daishoji geboren wurde und 1825 starb. Er studierte klassische chinesische konfuzianische Literatur.

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Diese Kalligraphie und viele weitere sind auch in einem Buch enthalten und kommentiert:

ZEN + NICHT-ZEN. Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien

Zen + Nicht-Zen: Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien : Seitz, Tomo J.: Amazon.de: Bücher

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