Vorurteile. Wirken nicht alle Menschen außerhalb meiner gewohnten Gruppe erst einmal komisch? Sind auch Kapitalisten Menschen? Werden alle zukünftigen Menschen meine jetzigen Ansichten teilen?
Habe ich Vorurteile?
Natürlich sind wir alle frei von Vorurteilen. Wir sind gegen Rassismus, gegen Diskriminierung von Glaubensrichtungen und Menschen aus bestimmten Herkunftsländern, gegen Vorverurteilung und Diskriminierung jeglicher Art.
Es reicht aber nicht, zu denken, ich bin vorurteilsfrei.
Ist das überhaupt möglich – keine Vorurteile?
Selbst wenn ich Vorurteile verabscheue, dann habe ich meine Meinungen doch irgendwoher. Ich bin doch nicht autonom wie der liebe Gott. Andere Menschen haben mich erzogen und massiv beeinflusst. Alles was in meinem Kopf schwirrt, stammt zunächst von anderen. Bestenfalls kann ich Vorhandenes, Gelerntes und Gehörtes neu kombinieren und interpretieren.
Ich will und muss mich in meiner Welt zurecht finden. Dazu versuche ich, sie irgendwie zu verstehen, mich zu orientieren und vor allem die übergroße Flut der Wahrnehmungen zu reduzieren, indem ich das für mich Wesentliche vom Unwichtigen trenne. Das Ergebnis schließt Wertungen ein, die nicht neutral sein müssen und mein Verhalten massiv beeinflussen. Es birgt notwendigerweise Vorurteile, weil ich die Welt nicht begreifen kann, so wie sie wirklich ist in all ihren Facetten.
Ich brauche Vorurteile sogar. Ich nehme wahr und in genau diesem Augenblick gibt es schon eine Interpretation: gut, schlecht, gefährlich, uninteressant oder überflüssig. Vieles ist es einfach nicht wert, mir da einen großen Kopf drum zu machen. Und in einer Gefahrensituation muss ich blitzschnell reagieren. Der Steinzeitmensch, der noch in meinen Genen steckt, hätte sonst nicht überlebt.
Vorurteile sind auf allen Seiten
Vorurteile sind auf allen Seiten. Bestimmte Gruppen von Menschen sind besonders diskriminierungsgefährdet. Und diese diskriminierten Gruppen diskriminieren umgekehrt ebenso. Sie sehen sich ständig und überall nur von Rassisten umgeben oder unterstellen allen Anderen eine Phobie ihrer Religionsrichtung gegenüber.
Ich würde sagen, das ist fast das Normale, dass Menschen sich und ihre Gruppe als das Maß aller Dinge ansehen: Da begreift sich ein Volk als „das Volk der Mitte“. Die Römer sahen in allen, die nicht Latein oder Griechisch sprachen, Barbaren. Da gibt es Menschen, die sich selbst „Inuit“ nennen, was in ihrer Sprache „Mensch“ bedeutet – das heißt, allen anderen Wesen wird die Eigenschaft „Mensch“ abgesprochen.
Vorurteile sind einem Wandel unterworfen. Es ist wohlfeil, eine andere Epoche nach meinen heutigen Vorstellungen zu beurteilen. Ich kann deutlich die heute als falsch angesehenen Meinungen früherer Zeiten sehen. Hätte ich sie damals auch als falsch angesehen? Werden alle zukünftigen Menschen meine jetzigen Ansichten teilen?
Ist es richtig, wenn ich das, was ich für wahr halte, absolut setze und alles andere bekämpfe, anklage und verdamme und gleichzeitig meine eigene Ansicht für tabu erkläre?
Mich bemühen, keine Vorurteile zu haben
Ich könnte mir anschauen, was ich ganz tief in meinem Inneren über bestimmte Menschen und Gruppen von Menschen denke. Wenn ich Urteile und Vorurteile in mir wahrnehme, müsste ich auch noch gewillt sein, sie zu überwinden. Ich müsste vielleicht zugeben, dass ich mich die ganze Zeit geirrt habe.
Wir sind in erster Linie fühlende Wesen, wie auch immer unsere besonderen Eigenschaften und Vorlieben sein mögen. Deshalb sollten alle Wesen als Wesen gleich behandelt werden. Auch Kapitalisten und alte weiße Männer, die noch nie eine Diskriminierung erfahren haben, sind Menschen.
Vielleicht kann ich lernen, die Ansichten anderer zu respektieren, selbst wenn ich überhaupt nicht mit ihnen einverstanden bin.
Andere Menschen kennen lernen
Normalerweise ist der Mensch unter seinesgleichen – im Beruf, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis. Menschen aus einem anderen Bereich lerne ich gar nicht kennen. Alle Menschen außerhalb meiner gewohnten Gruppe wirken erst einmal komisch.
Im letzten Jahr habe ich Menschen kennengelernt, denen ich normalerweise aus dem Weg gegangen wäre – alles Freaks, die massive Probleme haben, mit Süchten, Tabak, Alkohol, selbst mit Kaffee. Die einfach nicht ihr Leben auf die Reihe bekommen. Sie wittern immer irgendwo Verschwörungen und leugnen Sachverhalte, die ich für Fakten halte.
Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Menschen kennen lernen durfte. Sie waren einfach nett und sympathisch. Und einige durchaus klug, obwohl ich viele ihrer Ansichten nicht teile.
Ich hatte auch einmal Gelegenheit, ziemlich privilegierte Menschen kennen zu lernen, die ich vorher als Gruppe verachtet und bekämpft hatte. Ich war ziemlich überrascht, dass das ganz normale Menschen sind. Auch unter ihnen gibt es recht sympathische Wesen.
Erst wenn ich andere wirklich kennen lerne, kann ich urteilen.
Durch Meditation lerne ich, achtsam zu sein, also zu merken, was ist. Ich beobachte meine Gedanken und Gefühle. So kann ich auch meinen Vorurteilen auf die Schliche kommen. Und in dem Bereich, der über Gedanken und Gefühle hinaus geht, können Vorurteile gar nicht existieren.
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