Was ist Vertrauen? Das Leben ist gefährlich. Zumachen oder sich öffnen? Vertraue ich darauf, dass ich morgen wieder aufwachen werde, dass die Sonne aufgeht, dass ich ewig leben werde, dass der Bus kommt, dass ich genug zu essen habe?

Vertrauen ist die Überzeugung, dass ich mich auf etwas verlassen kann – was auch immer: auf einen Menschen, eine Gruppe von Menschen, eine Organisation, eine Behauptung. Vertrauen bedeutet, so zu handeln, als sei ich mir sicher. Mir fehlen aber Informationen für eine zutreffende Beurteilung. Trotzdem entscheide ich mich dazu, meine Zweifel aufzugeben, weil ich ein Gefühl und eine Vorstellung darüber gewonnen habe, wie der Sachverhalt ist. Für mich fühlt sich das so an, als seien meine Annahmen wahr und als würden sich die dahinter stehenden Tatbestände nicht ändern.
Vertrauen ist aber eine Vereinbarung auf Zeit. Ich vertraue nur so lange, bis ich Annahmen dafür habe, dass Vertrauen nicht mehr angebracht ist.
Nicht jedes Vertrauen ist empfehlenswert. Ich könnte auch vorschnell, naiv oder blauäugig jemandem oder etwas vertrauen.
Wie viel Nähe kann ich zulassen, bevor es gefährlich wird? Ganz massive Ängste, ganz tief drinnen, aus schlechten Erfahrungen mit Eltern, Erziehern, Geistlichen. Angst vor dem Tod. Das Leben ist gefährlich. Zumachen oder sich öffnen?
Selbstvertrauen. Das Vertrauen in meine eigenen Stärken und Fähigkeiten und dass mir gelingt, was ich mir vornehme.
Urvertrauen. Das Bild von einem kleinen Kind, das seiner Mutter total vertraut, das so etwas wie Misstrauen überhaupt nicht kennt. Aus dieser Erfahrung erwächst ein Grundvertrauen, die Zuversicht, dass letztlich alles einen Sinn hat, dass alles sich schließlich positiv entwickeln wird und dass die Menschen grundsätzlich gut sind.
Notwendigkeit von Vertrauen
Ich kann nicht alles wissen, nicht alles selbst und immerzu kontrollieren, hinterfragen und nachprüfen. Durch Vertrauen reduziere ich die Komplexität der Möglichkeiten auf ein Maß, das mich handlungsfähig bleiben lässt.
Ohne ein gewisses Maß an Vertrauen kann ich nicht leben und überleben. Ich sehe so Vieles als selbstverständlich an. Ich vertraue darauf, dass ich morgen wieder aufwachen werde, dass die Sonne aufgeht, dass ich ewig leben werde, dass der Bus kommt, dass ich genug zu essen habe, dass dieser konkrete Mensch mich nicht verletzen wird. Ohne Vertrauen könnte ich keine Hilfe annehmen. Ich muss in einer bestimmten Situation zumindest eine Zeitlang vertrauen. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen kann keine Art von Beziehung funktionieren, keine Partnerschaft, keine Gemeinschaft und keine Gesellschaft. Das galt selbst für den wilden Westen.
Ich brauche auch ein gewisses Maß an Selbstvertrauen, um im Leben weiter zu kommen.
Erfahrung
Vertrauen fällt meist nicht vom Himmel. Ich muss es mir erarbeiten. Es ist ein Reifungsprozess: Weil ich immer wieder erfahren habe, dass ich mich auf etwas oder jemanden verlassen kann, gebe ich schließlich mein Misstrauen auf und lasse mich auf etwas oder jemanden ein.
Vertrauen ist eine subjektive Einschätzung und ein Gefühl. Stimmen die Emotionen, gemeinsamen Werte, Bedürfnisse und Ziele, kann ich auch manchmal spontan vertrauen.
Vertrauen ist gelernt und eine willentliche Entscheidung. Diese Entscheidung kann mir niemand abnehmen.
Vorteile von Vertrauen
Vertrauen vereinfacht. Ich brauche nicht alles überprüfen. Ich gehe einfach davon aus, dass es so ist. Ein solcher Vorschuss entspannt und erleichtert das Leben. Nur durch das Vertrauen, morgens wieder aufzuwachen, kann ich ruhig und unbesorgt einschlafen.
Vertrauen auf dem spirituellen Weg
„Die Wahrheit“ kann ich nur für mich selbst herausfinden. Weil ich die Wahrheit noch nicht kenne, muss ich im ersten Schritt ins Unbekannte gehen und vertrauen. Das ist schwer und irgendwie auch gefährlich, weil ich in die Irre gehen könnte.
Auch wenn ich mit der Meditation anfange, brauche ich Vertrauen. Ich kann nicht wissen, was mich erwartet und ob die Methode funktioniert und mir etwas bringt.
Wenn ich einen spirituellen Lehrer gefunden habe und ihm nicht vertraue, dann werde ich auf diesem Weg nicht weiter kommen. Es ist nicht unbedingt notwendig ihm in jedem Punkt zu trauen. Ich muss aber vertrauen, dass er den Weg weiß, das Ziel selbst erlebt hat und erlebt und dass er die richtige Methode kennt, um es auch mir zu vermitteln. Ich brauche ihm nicht zu vertrauen, dass er auch gut kochen kann oder gut mit Geld umgehen kann. Vielleicht kann er auch mit Menschen nicht gut umgehen.
Vertrauen öffnet ein Tor. Ich bin in einem umfassenden Sinne nackt. Es knistert und funkelt. Ich kann nichts mehr verbergen, nicht mehr nur meine schönen Seiten zeigen. Das ist Leben pur. Und Schönheit. Und eine der wichtigsten und leichtesten Möglichkeiten zu „Gott“ zu werden. Wobei „Gott“ keine Person, sondern ein Zustand ist.
