Finden. Das Schriftzeichen „Barriere“ in einer Zen-Kalligraphie

Finden. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich unbedingt etwas will. Was aber, wenn ich sowohl keine Vorstellung von dem Weg als auch von dem Ziel habe. So sieht die spirituelle Suche aus. Zen-Kalligraphen illustrieren diese Situation mit dem Zeichen „Barriere“.

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Dies ist eine Kalligraphie, die nur ein Wort beinhaltet: Barriere. Sonst nichts. Dies Wort ist mächtig und markant auf das Papier gesetzt. Nicht zu übersehen. Barriere. Ich bin geneigt, ein Ausrufungszeichen dahinter zu setzen. Barriere!

関 Barriere

Das Wort „Barriere“ ist Teil eines Koans, das auf den chinesischen Zen-Meister Yün-men, jap. Unmon, zurück geht (864 – 949).

Das Koan ist in der Sammlung Bi Yän Lu im achten Beispiel enthalten. Es heißt dort:

Ts’ui-yen hatte seine Schüler den ganzen Sommer über unterrichtet. Am Ende dieser Übungszeit fragte er seine Schüler, ob er denn nun noch Augenbrauen habe.

Pao-Hao antwortete: Diebe haben nichts im Herzen.

Ch’ang-ch’ing antwortete: Deine Augenbrauen sind gewachsen.

Yün-men antwortete: Barriere.

Barriere

Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich unbedingt etwas will, vielleicht sogar muss, ohne dass ich weiß, wie ich da hin kommen soll. Ich will mit dem Kopf durch eine massive Felswand, auch wenn ich weiß, dass das unmöglich ist. Ich bemühe mich bis zur Verzweiflung und komme doch keinen Schritt weiter.

Fatal an dieser Suche hier ist, dass ich noch nicht einmal weiß, wonach ich suche. Sonst könnte ich mir einen Plan machen. Ich kann mir Schritte zur Lösung überlegen. Ich kann jemanden fragen, der schon mal dort war. Dann gibt es diesen Ort. Es gibt Landkarten. Vielleicht fährt ein Zug hin. Ich kann mir eine Fahrkarte kaufen und dort hin fahren. Vielleicht muss ich mal umsteigen. Vielleicht muss ich ein Stück zu Fuß gehen. Vielleicht muss ich mal jemanden nach dem Weg fragen. Aber ich werde irgendwie und irgendwann hin kommen. Timbuktu gibt es. Da waren schon mal Menschen. Es liegt hinter der Wüste. Die ist gefährlich. Aber es gibt Wege und Führer denen ich folgen kann, ich kann mich einer Karawane anschließen. Ich werde Timbuktu finden.

Was aber, wenn ich sowohl keine Vorstellung von dem Weg als auch von dem Ziel habe? Das ist hier die Situation. Es geht um die spirituelle Suche. Da spricht jemand von der Erleuchtung, der Verwirklichung, der endgültigen Befreiung. Das sei das endgültige Ziel des Menschen und sämtlicher Wesen. Ja. Aber ich habe keine Ahnung, was das sein soll und wie ich die finden kann. Erleuchtung. Alle sprechen davon. Wie sieht die denn aus? Was passiert da? Wie komme ich da hin?

Vielleicht gibt es Hilfen und Helfer. Da sind Meister und Klöster. Vielleicht habe ich endlich einen kundigen Menschen getroffen, der behauptet, den Weg zu kennen. Prima! Dann zeig ihn mir!

Doch dieser Mensch verzieht keine Mine oder er grinst kurz und freundlich. Als Anleitung sagt er: setz dich hin und starr auf die Wand. Das war’s. Und dann sitze ich da und starre auf die Wand. Was soll das? Nimmt mich der auf den Arm?

Das ist ungefähr die Situation eines Zen-Mönchs. Aus dieser Tradition stammen diese Rollbilder.

Es gibt keine besondere Anleitung, aber Hilfestellungen. Insbesondere in der Rinzai-Schule gibt es die Koan-Schulung. Das ist auch nicht viel besser, aber besser als nichts. Der Meister gibt dir eine Frage, die man nicht beantworten kann. Und er dringt immer wieder auf eine Antwort. Und du sitzt da Tag für Tag und Woche für Woche und du weißt nicht mehr weiter. Und du gehst immer wieder zum Meister und bringst ihm deine Antwort und er nimmt nur sein Glöckchen, bimmelt und du bist entlassen. Wieder nichts.

Und irgendwann nickt er und gibt dir ein anderes Rätsel. So lernst du ganz allmählich Antworten auf Fragen, zu denen es keine Antworten gibt.

Schloss ohne Schlüssel. Bemühen, Versuche bis zur Verzweiflung. Die Hilfen helfen nicht weiter. Kein Finden. Denn sie sind ebenfalls Rätsel. Schließlich der Zusammenbruch. Völliges Aufgeben. Blank, Blackout, gar nichts mehr – Leere.

Die Schranke hat es nie gegeben. Die Suche, das Bemühen selbst war die Barriere.

Kein Wunder, dass die Zen-Kalligraphen immer wieder dieses Zeichen schaffen. Weil Zen diese Schranke geradezu zelebriert. Sie ist ein essentieller Teil ihres Wegs. Sie konfrontieren den Schüler immer wieder mit dieser Barriere.

Der Kalligraph:

Ueda Gizan 上田義山, 1891 – 1972, der 510. Abt des Daitoku-ji in Kyoto, einem Tempel der Rinzai-Richtung des Zen.

raum-fuer-meditation

 

Diese Kalligraphie und viele weitere sind auch in einem Buch enthalten und kommentiert:

ZEN + NICHT-ZEN. Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien

Zen + Nicht-Zen: Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien : Seitz, Tomo J.: Amazon.de: Bücher

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

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