Zufluchtnahme. Dieser Zufluchtsbaum der Nyingma Konfession des tibetischen Buddhismus versammelt eine beträchtliche Mannschaft an Wesenheiten und dient dazu, mir die Bestandteile der Zuflucht in der tatsächlichen Praxis zu vergegenwärtigen.

 

Zuflucht bedeutet, dass ich erkannt habe und bekenne, dass ich mich nur auf diese drei verlassen kann:

  • auf den Buddha als demjenigen, der mich anleitet. Ein Buddha ist nicht nur der historische Buddha Shakyamuni – alle erleuchteten Wesen fallen in diese Kategorie. Auf diesem Thangka sind zumindest mitgedacht alle von ihnen versammelt.

  • auf die Lehre des historischen Buddha und den umfassenden Schatz der buddhistischen Lehren, der immer noch sprudelt und hier und jetzt zu spüren ist.

  • auf die Gemeinschaft der Menschen, die auch diesen Weg gehen. Von ihnen lerne ich und sie unterstützen mich. Auf diesem Bild sind zu meiner Inspiration und als Vorbild etliche Gemeinschaften versammelt.

Vor einem tiefblauen transparenten Himmel erhebt sich ein gewaltiger Baum auf dessen vier mächtigen Zweigen die Wesen weilen, die diese drei Juwelen Buddha, Dharma und Sangha in ihrer Vielfalt konkretisieren.

Padmasambhava

Padmasambhava, der kostbare Guru Rinpoche, der den Buddhismus in Tibet etabliert hat und der als Buddha unserer Zeit angesehen wird, ist das alles umfassende Herz dieses Bildes. Er schließt alle anderen Objekte der Zuflucht in sich mit ein.

Sein Ausdruck ist mitfühlend und lächelnd, wenn auch nicht ohne eine Spur von Wildheit. Die Präsenz des überragenden Meisters vermittelt tiefsten Frieden. Sein Blick aus den weit geöffneten Augen führt zur Erkenntnis der Natur meines eigenen Geistes.

Die Lehre

Die Lehre ist auf diesem Bild etwas versteckt. Sie befindet sich als Ansammlung von 108 Büchern stellvertretend für den unübersehbaren Bestand an buddhistischen Schriften und Lehren auf dem nördlichen Ast, direkt hinter dem zentralen Buddha. Damit man ihn trotzdem sehen kann, sind die Schriften auf diesem Bild rechts und links von Padmasambhava aufgebaut.

Die Meister der Linie

Direkt über dem Kopf von Padmasambhava weilen die großen Meister der Übertragungslinie. Diese Reihe fängt mit Samantabhadra an, der für die Leere steht, aus der immerfort alles entsteht und der in einem anderen nicht materiellen Bereich zu Vajrasattva wird, um dann als Mensch in Form von Garab Dorje zu erscheinen. Ihm folgen in einer nie unterbrochenen Reihe erst indische und später tibetischen Meistern nach. Das sind hier Manjushrimitra, Sri Simha, Jnanasutra, Vimalamitra, Padmasambhava, Yeshe Tsogyal, König Trisong Detsen, Longchenpa, Jikme Lingpa, Patrul Rinpoche und Jamyang Khyentse Wangpo. Diese Kette ist nicht abgebrochen und existiert bis zum heutigen Tag. Sie gipfelt in meinem eigenen persönlichen Meister, der den Buddha innerhalb meiner wirklichen aktuellen Erfahrungswelt verkörpert.

Die Bodhisattvas

Der westliche Zweig, der von mir aus gesehen linke neben Padmasambhava, beherbergt die acht hervorragenden Bodhisattvas:

  • Avalokiteśvara, der Bodhisattva des Mitgefühls

  • Mañjuśri, der Bodhisattva der Weisheit

  • Kshitigarbha, der den Wesen in den Höllenbereichen hilft

  • Akashagarbha, der allumfassende Liebe und uneingeschränktes Mitgefühl verkörpert

  • Vajrapanim, die Verkörperung der Tatkraft aller Buddhas

  • Maitreya, der Buddha der Zukunft

  • Samantabhadra, die Quelle allen Seins und

  • Sarvanirvarana Vishkambin, der, der alle Hindernisse beseitigt.

Sie vertreten hier die unübersehbare Versammlung der Bodhisattvas, die alle geschworen haben, jegliches Wesen, in welchem Bereich sie auch existieren mögen, zur endgültigen Befreiung zu führen.

Die Mönche, die dem ursprünglichen Weg des historischen Buddhas nachfolgen.

Auf dem östlichen Ast, rechts von Padmasambhava, zeigen sich die acht wichtigsten Schüler Buddhas. Sie verkörpern hier die Sangha der ordinierten Mönche, der Menschen, die unmittelbar den ursprünglichen Lehren Buddhas nachfolgen:

  • Shariputra und Maudgalyayana, die beiden Hauptjünger des Buddhas

  • Ananda, sein Lieblingsschüler

  • Rahula, sein Sohn

  • Kaśyapa, der die Gemeinde nach Buddhas Tod führte

  • Aniruddha, der das dritte Auge entwickelt hat

  • Subhuti, der bekannt ist für sein Verständnis der Leere und

  • Katyayana, der die Feststellungen Buddhas besonders gut erklären konnte.

Die Buddhas der drei Zeiten

Ziemlich weit unten thronen auf dem Ast, der unmittelbar auf den Betrachter weist, der Buddha der Vergangenheit, Kashyapa, der Buddha der Gegenwart, Shakyamuni, und der Buddha der Zukunft, Maitreya. Diese drei repräsentieren die 1002 Buddhas dieses Zeitalters und alle Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und der zehn Richtungen.

Friedliche und zornige Geschöpfe

Unter Guru Rinpoche gibt es auf dem Zufluchtsbaum eine große Anzahl von friedlichen und auch zornigen Geschöpfen sowie zwei Reihen mit Dakinis und Beschützern.

Einige dieser Wesenheiten können auch Yidams sein. Das sind Wesen, die dem Praktizierenden zur Praxis und zur Verehrung dienen. Für den Praktizierenden ist die Gesamtheit der Lehren im eigenen Yidam enthalten. Sie stehen deshalb auch für die Lehren Buddhas.

Die Reihe direkt unter Guru Rinpoche zeigt ganz links noch einmal Avalokiteśvara. Ganz rechts erscheint Yumka Dechen Gyalmo, die Königin der Dakinis, die Yeshe Tsogyal ist, die Gefährtin Padmasambhavas. Die Wesen zwischen diesen beiden Persönlichkeiten sehen nach den Buddhas der fünf Richtungen aus.

Die Reihe darunter beginnt mit Takhyung Barwa, einem zornvollen männlichen Wesen, das negative Kräfte unterwirft und hilft, Krankheiten zu überwinden.

Sie endet mit Senge Dongma, der Dakini mit dem Löwenkopf, eine Erscheinungsform von Padmasambhava. Sie beseitigt besonders bösartige Hindernisse wie Geistesstörungen oder Folgen schwarzer Magie.

Die fünf Persönlichkeiten dazwischen personifizieren körperliche Eigenschaften eines Buddhas:

  • Hayagriva steht hier für die erleuchtete Sprache. Er hilft auch, Krankheiten zu überwinden, insbesondere solche, die sich in Veränderungen der Haut zeigen.

  • Vajrakilaya ist der Hauptschützer dieser buddhistischen Konfession. Er steht hier auch für erleuchtete Aktivität.

  • Das in der Mitte müsste Yamantaka sein, der für den erleuchteten Körper steht.

  • Dann folgt rechts wohl Yangdak Heruka, eine zornvolle Manifestation von Vajrasattva. Er steht für den erleuchteten Geist.

  • Dann fehlt noch Chemchok, der für die erleuchteten Eigenschaften des Buddha steht.

Auf diesem Bild folgt ein Ring aus Dakinis, der den Baum rundherum umgibt. Dakinis sind himmlische Wesen, die weiblich gedacht werden. Sie können als spirituelle Begleiterinnen helfen, die eigenen Energien zu befreien, zu entfachen und für die spirituelle Entwicklung freizusetzen. Sie verkörpern eine besondere Form von Sangha.

Es folgt ein weiterer Ring mit machtvollen männlichen Schützern, den Dharmapalas. Ihre Aufgabe ist es, den Buddhismus zu schützen und die Praktizierenden vor psychischer Gefahr und Unheil zu bewahren. Sie halten alle unerwünschten Einflüsse fernhält, die im Laufe der Praxis auftauchen können. Auf der linken Seite erscheint Maning Nakpo – wie es aussieht gleich in mehrfacher Ausfertigung. Er ist der glorreiche Herr ursprünglichen Gewahrseins. Ganz rechts erscheint ein weibliches Schutzwesen, Dorje Yudrönma. Ihr Attribut ist eine Trommel.

Hoch im Himmel und ganz unten am Boden

Oben in den Wolken singen Himmelswesen und bringen Gaben dar.

Und kurz darunter leuchten auf schwankenden Zweigen im Lichterglanz zwei der fünf Ursprungsbuddhas:

  • Der rotglühende Amitabha vertreibt als der Buddha des grenzenlosen Lichts alle Dunkelheit und Hindernisse. Er verkörpert den Segen der Buddhas.

  • Der blaustrahlende Akshobhya verkörpert Zuverlässigkeit, Standhaftigkeit und Stärke. Er wird der Unerschütterliche genannt und verwandelt auch die stärksten zerstörerischen Emotionen wie tiefen Hass, Groll und Wut in weises Erkennen.

Ganz unten links steigt Za Rahula, einer der wichtigsten Beschützer der Nyingma und der höchsten Meditationszustände, mit seinem Schlangenleib aus einem Sumpf auf, seinen Bogen im Anschlag.

Ganz unten rechts wacht Dorje Legpa, ein weiterer wichtiger Schützer der Lehren und der höchsten Meditationszustände und Hüter noch verborgener Lehren. Er reitet einen Schneelöwen und trägt einen breitkrempigen Hut

Eigentlich sollte hier noch eine einzelne, winzige menschliche Figur stehen, die dem Betrachter ihren Rücken zuwendet. Das wäre dann ich, wie ich gerade Zuflucht nehme.