Aufwachen. Bin ich jemals wach?

Aufwachen. Das Thema „Aufwachen“ hat mehrere Dimensionen:

– Da ist einmal das ganz alltägliche allmorgentliche Aufwachen.

– Selbst wenn ich frisch, munter und tatendurstig bin, halten mich meine Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Ich bin so gut wie nie in diesem Augenblick und damit fast nie wirklich wach.

– Ganz selten werde ich hellwach – nämlich dann, wenn mich ein Schock trifft oder wenn mir klar wird: Genau jetzt muss ich handeln!

– Und dann gibt es das ultimative Wachwerden. Das ist dann nicht weit von Erleuchtung entfernt.

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Aufstehen

Aufstehen und Wachsein sind zweierlei. Ich mache die Augen auf und ich weiß, ich bin wach. Und dann fängt meist ein Kampf an. Was kann ein Tag schon bringen, der mit dem Aufstehen anfängt, sagte Charlie Brown.

Das ganz normale Wachsein

Ich meine, ich bin wach und bewusst, wenn ich nicht schlafe. Da ist tatsächlich ein gewisses Bewusstsein. Vielleicht bekomme ich jetzt Vieles mit. Aber gleichzeitig schlafe ich trotzdem, weil ich diesen gegenwärtigen Augenblick nicht wahrnehme.

Ich erinnere mich an einen Kollegen, der außerordentlich schlechte Augen hat. Damals war ich ganz stolz auf meine Kontaktlinsen und wie gut ich damit sehen konnte. So riet ich dem Kollegen, sich ebenfalls Kontaktlinsen anzuschaffen. Er sagte: Ich will gar nicht mehr sehen!

Manchmal habe ich den Eindruck, das gilt in einem übertragenen Sinn für die meisten Menschen.

Augenblicke im Leben, die Weichen stellen

Ein Tag folgt dem anderen – eine scheinbar unendliche Kette. Der Verstand und das Bewusstsein spielen regelmäßig überhaupt keine Rolle. Alles geht automatisch, in Routinen oder durch innere Botenstoffe gesteuert.

Ganz selten ist klar: Wenn ich jetzt nichts tue, dann ist er vorbei. Natürlich ist jeder Augenblick unmittelbar vorbei. Aber manchmal gibt es Augenblicke, die mein ganzes Leben gravierend verändern können. Ich erinnere mich an einen Augenblick, als mich meine Eltern aus der Schule nehmen und in eine Lehre stecken wollen. Da wurde ich hellwach und mir war klar, wenn ich jetzt nichts sage, geht mein Leben in die falsche Richtung.

Oder. Da ist ein Mann, eine Frau. Wenn ich jetzt nichts tue, ist der Mensch weg und ich werde ihn wahrscheinlich nie wieder sehen.

Es gibt auch Situationen, die mich unmittelbar wach machen. Wenn mich plötzlich jemand anschreit. Oder eine unmittelbare Gefahr erkannt wird. Da setzt das Denken aus. Da ist Wachheit ohne Denken. Ich bin hellwach. Das ist das Notprogramm, das dem Neandertaler in uns das Überleben gesichert hat.

Allmählich zur Besinnung kommen

Ich beobachte meine Stimmungen. Vielleicht ist da Trauer und Unruhe und durch den Wind sein und ein Gefühl von Einsamkeit und darunter manchmal eine Schicht tiefer Stille, tiefen Friedens. Zur Ruhe kommen. Der Schlamm setzt sich. Ich bin hier. Ich sehe mich um, wie nach dem Aufwachen aus einem Traum.

Eines Tages werde ich nicht mehr sein. Ich weiß nicht, was es sein wird – eine Krankheit, ein Unfall, das Herz bleibt stehen. Vielleicht kann ich eines Tages sehen, dass alles nur eine Art Film war. Vielleicht wache ich irgendwann auf und verlasse das Kino.

Achtsam verweilen

Vorstellungen und Konzepte, das krankhafte Rotieren des Geistes, die Beschäftigung mit irgendetwas, halten mich fest. Wenn ich den Geist lasse, wenn ich den Gedanken und Emotionen nicht weiter folge, wenn sich der Geist sammeln und setzen darf, dann führt das allmählich zum Aufwachen.

Ich erhasche diesen Augenblick. Tatsächlich ist alles im Augenblick. Da ist er. Und dann rutscht er wieder weg. Ich komme mir vor wie in einem Computerspiel. Dass Rennauto rast und ich habe alle Mühe, es in der Spur zu halten. Bums, ist es irgendwo vor gerast. Ich merke, ich bin wieder ganz woanders. Gedanken haben mich eingefangen und entführt. Immer wieder neu anfangen. Wie bei Sisyphos.

Wenn es gut läuft, dann kommen irgendwann Augenblicke, in denen keine Gedanken da sind, ich aber doch voll wach bin. Da ist der, der sich gewahr ist.

Da fängt Wachsein an. Ich beginne zu erkennen, wie die Welt und wie ich wirklich bin.

Und dann gibt es das ultimative Aufwachen

Das sind die Worte, die von Buddhas vollem Erwachen überliefert sind:

Tiefgründig, voll tiefem Frieden, vollständig rein, wie strahlendes Licht, aus einem Stück und nektargleich ist das Wissen, das mir zuteil wurde.“

Es heißt, er ruhte in dem Bereich, der ohne Materie, ohne Raum und ohne Denken, in dem nicht irgend etwas mehr ist, in dem es kein Unterscheiden und kein Nichtunterscheiden, nicht diese Welt noch jene Welt gibt. Dort zeigt sich das Ewige, Ungeborene und nicht Entstandene. Dort herrscht kein Stillstand und kein Weitergehen.

Weil es keinen gewöhnlichen Geist mehr gibt, hindert nichts mehr – keine Gedanken oder Gefühlen, keine Konzepte, keine Ablenkung, keine Gewohnheiten oder Vorstellungen.

Wir kennen immer dieses: ich bin hier und dort ist mein Gegenüber. In diesem Zustand gibt es nicht mehr diesen Einen, der das andere wahrnimmt. Da gibt es keine Meditation und niemanden, der meditiert.

Da ist Offenheit und grenzenlose Weite. Alles ist klar ersichtlich und unmittelbar präsent. Es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft. Es gibt nur diesen gegenwärtigen immer wieder neuen und einzigartigen Augenblick.

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