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Von einem Zen-Meister erwarte ich eine Kalligraphie, die mir eine Aufgabe stellt, die mich auf meinem spirituellen Weg weiter bringt. Das kann durch einen drastischen Pinselschwung unterstrichen werden. Aber Vorsicht! Meister verhalten sich selten so, wie ich es von ihnen erwarte.

Dieses Bild sieht harmlos aus. Der Text kommt wie ein Sinnspruch daher, den ich mir auch über das Bett hängen könnte. „Seit alters her haben die Menschen Sorgen; aber gewiss konnte Zen ihnen helfen“, soll das heißen.

In der Tat sind Leiden und Sorgen seit jeher ein unvermeidbarer Bestandteil des menschlichen Lebens. Wenn ich meine Gedanken und Emotionen beobachte, kann ich vielleicht sehen, dass das Leiden oft durch meinen eigenen Geist und meine Gedanken verursacht wird.

Und es gibt einen Weg, meine Sorgen zu überwinden und Ruhe, Gelassenheit und inneren Frieden zu finden. Vielleicht kann ich dann auch anderen helfen und Mitgefühl und Verständnis für die Sorgen und Leiden anderer entwickeln.

Ein Meister demonstriert mit solchen Werken seine Verwirklichung. Manche von ihnen praktizieren Kalligraphie regelmäßig wie eine Meditation. Diese Schriftzeichen hier sind ziemlich brav und anscheinend einigermaßen lesbar aufs Blatt gesetzt. Lediglich die Abbildung darunter hat etwas mehr Dynamik.

Der Spruch ist leicht zu verstehen. Das ist eine andere Fassung der 4 edlen Wahrheiten des Buddha Shakyamuni, die da wären:

Leid und Sorgen sind im Leben nicht zu vermeiden.

Ursachen des Leids sind Illusionen, Wünsche und das Nicht-loslassen-können.

Es gibt einen Weg aus diesem Leiden.

Diesen Weg beschreitet, wer sein Denken und Handeln ändert und ein rechtes Verständnis, eine rechte Absicht, ein rechtes Handeln, eine rechte Rede, Lebensweise und Anstrengung sowie rechte Achtsamkeit und Konzentration in der Meditation praktiziert.

Das ist tatsächlich leicht zu verstehen, aber alles andere als banal. Denn darauf fußt der ganze buddhistische Pfad. Das kann man gar nicht oft genug hören.

Diesem Weg folgen alle Buddhisten, egal, welcher Richtung sie angehören. Ich denke, es kommt insofern gar nicht darauf an, Buddhist zu sein. Jeder, der diesen Anweisungen folgt, wird die entsprechenden Früchte ernten.

Was soll die Ahle unter dem Spruch? Eine Ahle ist ein archaisches Werkzeug in Form eines spitz zulaufenden, dünnen Stifts, um Löcher zu stechen. So wie der Handwerker mit der Ahle Löcher ins Leder stanzt, so kann ich mit dem Werkzeug, das uns der Buddha gezeigt hat, das Leid überwinden.

Der Schöpfer dieser Kalligraphie

Dieses japanische Kakemono hat Shunsō Shoju geschaffen. Er war einer der bedeutendsten Zen-Meister seiner Zeit. Er wurde 1751 geboren, studierte bei vielen berühmten Lehrern und wurde Dharma-Erbe von Suio Genro, einem direkten Schüler von Hakuin, dem wohl größten Zen-Meister der letzten 500 Jahre. Als Shunsō dreiundsechzig Jahre alt war, bat ihn der Kaiser persönlich, Leiter des prestigeträchtigen Myoshin-ji-Tempels in Kyoto zu werden. Er starb 1839.