Zen Meister Sosen malt Bambus

Zen Meister Sosen malt Bambus – kein Überlegen oder Abmalen – kein Meister und kein Bambus – geschaffen aus der Leere des Augenblicks – wie von selbst gleitet der Pinsel über das Papier.

zen meister

 

Es gibt beeindruckende Bilder von Bambus. Dieses hat der Zen-Meister Myôdô Sôsen (1768-1837) geschaffen. Er war Meister der Rinzai-Schule des Zen im Japan der späten Edo-Zeit und der 429. Abt des Daitokuji in Kyoto. Er studierte bei Sobun Morikawa und ist berühmt für seine Kunstwerke. Dieses heißt einfach „Bambus im Wind“.

Der Bambus vorn neigt sich tief. Es muss ein kleiner Wind wehen. Der Zweig dahinter bewegt sich mit. Aber etwas anders. Er ist blass. Ist das Nebel am ganz frühen Morgen?

Hier gibt es kurze, dynamische Striche. Und viel freien Platz. Aber oben ist etwas abgeschnitten. Dem Meister ist es egal.

Das muss ein feiner, vergeistigter und zurückhaltender Mensch gewesen sein mit einem feinen hintergründigen Lächeln.

Das ist kein Abbild von Bambus – das ist Bambus. Geschaffen aus der Leere des Augenblicks. Das Werk ist Resultat dynamischer Meditation. Subjekt und Objekt gehen in Nicht-Dualität auf. Es gibt keinen Meister und keinen Bambus. Da ist kein Überlegen oder Abmalen. Nur dieser Augenblick. Wie von selbst gleitet der Pinsel über das Papier.

Weshalb gestaltet sich die Tusche zu einem Bambus? Der Meister kennt Bambus. Er hat ihn so oft gesehen, betrachtet, seine unterschiedlichen Formen, seine Gestalt und den Schatten, mit ihm gelebt, meditiert, zu jeder Tageszeit, im Sommer, im Winter, über Jahre. In diesem Augenblick ist er Bambus.

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Die Pflanze fasziniert mich. Das muss man mal gesehen haben, wie ein Bambushain wogt und wirbelt, wenn ein Sturm darein fegt. Die Stängel biegen sich fast bis an den Boden, berühren nahezu das Haus und stehen im nächsten Augenblick wieder senkrecht.

Ich pflege ihn in meinem Garten. Er ist nicht ungefährlich, denn seine Produktivität und sein Expansionsdrang lässt sich kaum bändigen. Aber das merkt man erst mit der Zeit. Wenn man ihn lässt, dann treibt er Ausläufer, die nicht nur beim Nachbarn nebenan rauskommen, sondern bei übernächsten. Deshalb ein Hügel und eine Rhizomsperre. Dort oben pflanzte ich einen kleinen Busch. Nun ragen die Stangen in die Höhe. Ich denke, sie sind 5 Meter hoch.

Es ist ein schwarzer Bambus. In meinen Augen der schönste. Er beginnt grün und mit der Zeit bekommt er dunkle Sprengsel und schließlich nimmt der Stamm eine ebenholzartige Farbe von samtigen Schwarz an.

Was lehrt mich diese Pflanze?

Bambus ist unerschütterlich wie ein Berg, aber mit einer ganz anderen Taktik. Nicht unbeweglich, sondern im Gegenteil unglaublich flexibel, ohne sich unterkriegen zu lassen. Fast wie Wasser, das jede Form annehmen kann. Egal wie stark der Sturm ist. Anschließend steht der Bambus wie zuvor. Er wehrt sich nicht, sondern geht mit dem Fluss. Wie die Meister der ostasiatischen Kampfkünste. Am Ende stehen sie als Sieger da.

Sich beugen und biegen ohne zu knicken oder zu brechen. Dann stehen sie wieder da wie zuvor und haben kein bisschen von ihrem Boden preisgegeben.

Es kommt nicht darauf an, jemanden die Stirn zu bieten. Ich kann den anderen konfrontieren, erschrecken, besiegen. Aber werde ich ihn so überzeugen? Vielleicht kann ich ihn zwingen. Aber er wird mich nicht lieben, vielleicht hassen.

Die Taktik des Bambus gefällt mir. Ich sehe Menschen mit Mut, Kraft und Ausdauer, die sich flexibel an neue Situationen anpassen. Das ist so wie beim braven Soldaten Schwejk. Er tut immer brav alles, was ihm befohlen wird. Und doch macht er sein eigenes Ding.

So wie er ganz aufrecht wächst, könnte man Bambus für bescheiden und aufrichtig halten. Die Regelmäßigkeit seiner Knoten steht für Verlässlichkeit und Integrität.

Bambus behält selbst im Winter grüne Blätter und ist langlebig. Er ist wegen seines möglichen Alters, der Beständigkeit und Lebensenergie ein Symbol für langes Leben, Reichtum und Stärke.

Er passt gut zum Buddhismus, denn Bambus ist außen fest, innen aber hohl oder leer. Deshalb verkörpert er das buddhistische „die Dinge erscheinen zwar, sind aber in ihrer Essenz ohne feste Substanz“.

Wenn du weißt, dass du den rechten Weg gefunden hast, dann bleib dabei. Du musst nicht missionieren. Du weißt, dass das dein Weg ist. Ob andere das auch wissen, ist ihre Sache. Aber vielleicht sehen sie dein Beispiel. Sie sehen, dass du unerschütterlich an deinem Platz stehst. Du biegst dich, aber du lässt dich nicht verbiegen. Du bleibst, wie du bist. Ganz natürlich. Da ist nichts Erzwungenes dabei. Du wächst einfach. Du wirst immer größer und überragst am Ende alle. Aber du machst kein Aufhebens darum. Da ist kein besonderer Stolz, sondern etwas Selbstverständliches, eben ganz natürlich.

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Diese Kalligraphie und viele weitere sind auch in einem Buch enthalten und kommentiert:

ZEN + NICHT-ZEN. Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien

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