Innehalten. Eine Kalligraphie über den Zen-Geist

Innehalten. Eine japanische Kalligraphie über den Zen-Geist. In unserem Alltag muss immer etwas passieren. Es fällt mir schwer, mich selbst auszuhalten und einfach nur zu sein.

innehalten

 

Dieses Rollbild wird von einem Enso dominiert, begleitet von einem Text. Mit einem Enso demonstriert ein Meister seine Verwirklichung. Das Enso ist auf seine Art perfekt. Es ist eben kein perfekter Kreis, wie mit dem Zirkel gezogen. Der wäre seelenlos. Hier sieht man, wo der Pinsel angesetzt wurde und man erkennt die Beschaffenheit des Pinsels. Dieser war relativ trocken. Er ist in einem Schwung auf das Papier gebracht und nicht ganz geschlossen. Und er ist ein klein wenig nach rechts oben verschoben.

So ein Tuschekreis steht meist für „unendlich“, denn ein Kreis hat keinen Anfang und kein Ende. Und er steht für „Leere“, denn er umschließt ein Nichts. Manchmal verweist er auch auf einen konkreten Gegenstand. Das kann so etwas Gewöhnliches sein wie ein runder Keks. Hier macht er auf den Vollmond aufmerksam.

Der Text

hell

Mond

scheinen

Zen

Herz

Diese Zeichen vermitteln das Bild eines strahlend hellen Vollmondes, der sanft Licht in die Dunkelheit bringt.

Die meisten dieser Zeichen erklären sich selbst.

Herz und Geist

Interessant ist das Zeichen für „Herz“. Das selbe Zeichen bedeutet auch „Geist“. Nach klassischer fernöstlicher Einstellung residiert der Geist nicht im Kopf oder im Hirn, sondern im Herzen.

Der alltägliche uns bekannte Geist besteht aus dem, was wir wahrnehmen, aus unseren Gedanken und Gefühlen und damit aus unseren Vorstellungen von uns selbst und der Welt. Gedanken und Gefühle sind der Inhalt für das Gefäß Geist, nicht aber der Geist selbst. Dieser Geist ohne Inhalt ist gemeint, wenn vom Zen-Geist oder von der Natur des Geistes die Rede ist.

Zen-Geist – Anfängergeist

Mit „Zen-Geist“ – dem zentrale Begriff hier – ist noch etwas anderes gemeint. Ihr kennt wahrscheinlich den Spruch „Zen-Geist – Anfänger-Geist“. Das soll heißen, dass ein Anfänger offen ist für Neues. Er fängt ja an und will alles auf diesem Gebiet lernen und erfahren. Dagegen der Experte. Der kennt sich aus. Der macht das, was er gelernt hat. Da ist Routine. So bleibt kein Platz für Neues. Ich kann nichts neu erleben, solange ich schon alles zu kennen meine.

Zen-Geist oder die Natur des Geistes

Zen-Geist – der Begriff „Natur des Geistes“ meint das gleiche – umfasst aber viel mehr.

In unserem Alltag muss immer etwas passieren. Und wenn ich nur den schönen Vollmond betrachte. Diesen Mond nehme ich nicht einfach nur wahr. Ich interpretiere. Und dann kommt ein Rattenschwanz an Assoziationen und weiteren Gedanken, die nie richtig enden.

Wenn ein Mensch den Mond mit einem Zen-Geist betrachtet, nimmt er ihn wahr. Oder auch nicht. Er hängt nichts weiter daran. Wie: der Mond ist heute besonders klar oder schön oder hell.

Zen-Geist oder die Natur des Geistes ist das, was übrig bleibt, wenn ich alles andere fallen lasse, wenn ich in einen voll wachen Zustand vordringe jenseits von Gedanken und Gefühlen, jenseits von allem, was ich kenne, jenseits von dem, mit dem ich mich identifiziere, jenseits von mir und dem was außerhalb von mir ist. Ein Bereich ohne Grund, ohne Basis, ohne Unterstützung.

Ein makelloses, präsentes, leeres, waches Gewahrsein bleibt – klar, vollständig frei von Grenzen, von Konzepten, von Kategorien.

Zen-Geist ist natürlich nicht Zen-Geist. Denn er gehört niemandem. Und jeder besitzt ihn – wenn er uns auch fast immer verborgen bleibt.

Der Kalligraph und die Kalligraphie

Die Kalligraphie hat Tamai Kazan geschaffen, Zen-Meister der Rinzai-Konfession im Daitokuji-Tempel in Kyoto in der Meiji-Zeit (1868 – 1912).

Die Aussage soll auf Daichi Sotsugu zurückgehen, einem Zen-Meister der Soto-Konfession im Daichiji-Tempel in der Nähe von Kyoto im frühen 14. Jahrhundert.

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Diese Kalligraphie und viele weitere sind auch in einem Buch enthalten und kommentiert:

ZEN + NICHT-ZEN. Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien

Zen + Nicht-Zen: Gedanken zu ostasiatischen Kalligraphien : Seitz, Tomo J.: Amazon.de: Bücher

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