Richtig wünschen lernen – ein Märchen aus Mexiko

Richtig wünschen lernen. Im Norden Mexikos wohnen Menschen, die nicht anders sind als überall auf der Welt. So wohnten dort ein guter Mensch, ein schlechter und einer, der war weder das eine noch das andere, aber gierig.

Der Gierige bebaute, wie die meisten Menschen in Mexiko, sein Land mit Mais und Bohnen, und es reichte gerade, um davon zu leben. Und er träumte davon, sehr viel Mais und Bohnen zu besitzen. Das war für ihn Reichtum.

Eines Tages dachte er an die Kürbisflasche, die ihm sein Vater vererbt hatte und in der ein Geist leben sollte. Er nahm also den Kürbis, entfernte den Verschluss und ein feiner Rauch kam hervor, der sich zu einer menschenähnlichen Gestalt verdichtete.

Nachdem sich der Gierige wieder gefasst hatte, fragte er den Geist geradeheraus, ob er ihm helfen könne. Als der Geist sah, wie stark der Wunsch des Gierigen war, schenkte er ihm schließlich eine Kette mit einer Perle und verriet ihm, dass er einen Wunsch frei habe, wenn er die Perle reibe.

Als der Geist aber dem Gierigen die Perle gegeben hatte, sagte er zu sich selbst: „Dem Gierigen gab ich eine Wunschperle. Nun wohnt nebenan ein guter Mensch. Dem sollte ich auch etwas schenken, etwas größeres, nämlich eine Perle, die drei Wünsche erfüllt.“

Also begab er sich zu dem Guten. Der erschrak heftig, als er den Geist sah, und begann zu schreien. Schließlich konnte ihn der Geist beruhigen. Er überreichte ihm eine Kette mit einer Perle und erklärte ihm, was es mit dieser Perle auf sich hatte.

Durch die Schreie war aber der schlechte Nachbar aufmerksam geworden, hatte sich zum Haus des Guten begeben und alles mit angehört. Und was er gehört hatte, ließ ihm keine Ruhe. In der Nacht schlich er zum Haus des Guten und sah, wie sich dieser niederlegte und dabei die bewusste Kette neben seine Matte legte. Diese glich haargenau der Kette, die seine Frau trug. So fasste er den Plan, beide zu vertauschen.

Er weihte seine Frau in den Plan ein, ließ sich ihre Kette geben und schon in der nächsten Nacht verwirklichte er seine Absicht, ohne dass der Gute dies merkte.

Nun fing bei dem Bösen und seiner Frau eine Zeit des Planens an, was sie sich wohl wünschen sollten. Doch sie konnten sich nicht einigen. Immer wieder fiel ihnen etwas neues ein. So beschlossen sie, erst einmal gründlich über ihre Wünsche nachzudenken und dann in aller Ruhe zu entscheiden.

Eines Abends machte sich die Frau daran, das Essen zu bereiten, das wie fast immer aus Tortillas und Bohnen bestand. Und als sie so die Tortillas bereitete, dachte sie bei sich und seufzte dabei: „Ach, wenn wir doch einmal ein ordentliches Stück Fleisch auf dem Teller hätten.“ Dabei hatte sie, ohne dass sie sich dessen bewusst war, die Perle gerieben, die sie an der Kette um den Hals hängen hatte. Und augenblicklich lag ein herrliches, gut gebratenes und duftendes Stück Fleisch auf dem Teller.

Als ihr Mann, der dabei gestanden hatte, dies sah, ergrimmte er gewaltig, griff im Zorn die Perle, um sie mit der Kette vom Hals seiner Frau zu reißen. Dabei schrie er wie von Sinnen: „Ich wünsche, dir wüchse das Stück Fleisch direkt aus dem Gesicht.“ Und weil er gerade in diesem Augenblick die Perle gegriffen hatte, geschah es genau so. Da war der Jammer groß und es blieb ihnen nichts anderes über, als zu wünschen, das Stück Fleisch möge wieder aus dem Gesicht der Frau verschwinden. So hatte sie ihre drei Wünsche vertan.

Sehen wir nun, was mit dem Gierigen geschah. Dem war völlig klar, was er wollte. Er wollte Mais. Nicht nur einen Sack voll oder zwei oder drei. Nein. Es sollte Mais auf sein Haus regnen. Alles sollte von Mais bedeckt sein. So viel Mais, wie er es sich nur vorstellen konnte.

Und nachdem er den Wunsch ausgesprochen und an der Perle gerieben hatte, regnete es tatsächlich Mais auf sein Haus. Es schüttete wie aus Säcken, bis das Dach brach, der Zwischenboden füllte sich und auch der brach und schließlich war das Haus von oben bis unten mit Mais gefüllt und es regnete immer noch Mais. Der Gierige aber konnte sich über seinen Reichtum nicht mehr freuen. Er war in den Kornmasse erstickt und unter ihnen begraben. Richtig wünschen lernen.

Sehen wir nun, was mit dem Guten geschah. Der war mit seinem Schicksal ganz zufrieden, denn er hatte zwar nicht viel, aber genug zum Leben. Er hatte von der ewigen Seligkeit gehört. Das war das einzige, das er sich wünschte. Und als er den Tod nahen spürte, erinnerte er sich an die Kette, rieb die Perle und wünschte sich die immerwährende Seligkeit. Und die erlangte er auch, obwohl die Wuschperle gestohlen worden war.

Richtig wünschen lernen.

 

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Patricia

    Was für eine wunderbare Geschichte – für den Guten

    1. Tomo

      Danke schön, Patricia

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