Bodhgaya – ein magischer Ort und der heiligste Ort der Buddhisten

Bodhgaya. Der heiligste Ort der Buddhisten. Die Erinnerung an ein Ereignis, das 2 ½ tausend Jahre zurück liegt. Vielleicht hat da zum ersten Mal ein Mensch die Wirklichkeit erkannt, so wie sie tatsächlich ist.

Bodhgaya

Bodhgaya liegt im heutigen Bundesstaat Bihar in Nordindien. Zur Zeit Buddhas hieß der Ort Uruvela und gehörte zum Königreich Magadha.

Eine heilige Stadt, die eher an eine Sommerfrische für Familien erinnert, die Ruhe suchen. Eigentlich nur eine einzige, im breiten Bogen an niedrigen Häusern und einigen Bäumen vorbeiführende Straße, die den Besucher fast schon wieder auf flaches Land geleitet hat, bevor er das Dorf noch recht wahrgenommen hat.

Bodhgaya, der heilige Bezirk. Der heiligste Ort der Buddhisten. Niemand wird abgewiesen. Da gibt es keine Wächter und auch niemanden, der Eintrittsgeld oder Spenden einforderte.

Der heilige Bezirk wirkt ziemlich klein: Ein hoher Tempel, eher ein Turm, ein grüner Park, ein Teich, Treppen, Bäume und einige wenige Gebäude.

Schon viele Menschen, doch sie dominieren nicht. Sie sitzen und meditieren, umrunden immer wieder das Hauptheiligtum, verrichten ihre Übungen.

Dieser natürliche Frieden hier ist schon erstaunlich, bei so vielen Menschen, die beileibe nicht alle Buddhisten sind. Da gehen auch Familien einfach spazieren.

In diesen Tagen bestimmen tibetische Pilger das Bild. Wind und Wetter haben tiefe Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen. Sie gehören hierher. Trotzdem wirken sie wie aus einer anderen Zeit mit ihren langen zerzausten Haaren und Zöpfen und wilden Asketenfrisuren, Wollmützen, Filz- und Wattejacken sowie dicken Röcken in hochsommerlicher Hitze.

Da wächst ein Baum, der Bodhi-Baum, ein Abkömmling desselben Baums an genau der Stelle, an der vor 2 ½ tausend Jahren der Buddha Shakyamini Erleuchtung erlangte, eine Feigenart – ficus religiosa.

Der Baum selbst ist von einem ordentlichen Gitter umgeben. Ich habe Glück und schlüpfe mit einer fremden Gruppe durch ein kleines Tor in den innersten Bereich. Roter Sandstein markiert die Stelle, an der Buddha praktizierte.

In seiner Krone spielen Streifenhörnchen und zierliche Tauben. Die Äste ragen weit über die Umzäunung hinaus. Die Blätter und Zweige reichen nur bis Greifhöhe. Offenbar brauchen die Pilger ein Andenken.

Ein Gebäude dominiert: der Mahabodhi-Tempel neben dem Erleuchtungsbaum. Der jetzige Tempel stammt im wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert. Er ist vor allem hoch. Der Raum innen kommt mir vor wie das Innere einer Dorfkirche.

Immer wieder sitze ich in der verblüffend kleinen Cella des Haupttempels vor einer neuzeitlichen Buddha-Statue. Ihr Heiligenschein war damals mit Klebestreifen an der grünen Ölfarbenwand befestigt. That’s India.

Was macht einen Ort wie Bodhgaya magisch? Das ist natürlich die besondere Atmosphäre. Hier spürt man sie erst nach einer Weile. Eine schöne, friedliche natürliche Stille. Nichts Spektakuläres. Was den Ort ausmacht, merkt man erst, wenn man sich mehr auf ihn einlässt.

An einem solchen Ort spielt auch die Imagination eine Rolle. Ich kann da rumlaufen und einen schönen Park sehen und die Menschen beobachten. Und ich kann mir vorstellen, was da alles geschehen ist. Darum geht es ja an einem Ort der Erinnerung: Hier die Erinnerung an ein Ereignis, das 2 ½ tausend Jahre zurück liegt. Ich kann diese dramatische Nacht verinnerlichen, die die Welt verändert hat. Vielleicht hat da zum ersten Mal ein Mensch die Wirklichkeit erkannt, so wie sie tatsächlich ist.

„Tiefgründig, voll tiefem Frieden, vollständig rein, wie strahlendes Licht, aus einem Stück und nektargleich ist das Wissen, das mir zuteil wurde.“ Das sind die Worte, die von Buddhas Erleuchtung überliefert sind.

Nachdem der künftige Buddha nach jahrelang erfolglos praktizierter Askese diese schließlich aufgegeben hatte, ließ er sich unter einem Baum nieder und schwor, erst wieder aufzustehen, wenn er die endgültige Befreiung erlangt hätte.

In der folgenden Nacht erkannte Siddhartha die Ursache des Leidens, das Beenden des Leidens und den Weg, der zum Beenden des Leidens führt. Er fand das Ungeborene, nicht Alternde, von Krankheit, Schmerz und Tod Freie, das Unvergleichliche, das Verlöschen. Er ruhte in dem Bereich, der ohne Erde, ohne Wasser, ohne Feuer und ohne Wind und ohne Raum und ohne Denken, in dem nicht irgend etwas mehr ist, in dem es kein Unterscheiden und kein Nichtunterscheiden gibt. Dort zeigt sich das, was noch jenseits des erwägenden Denkens liegt, das Ewige, Ungeborene und nicht Entstandene, der leidfreie und reine Ort. Dort ist das Übel vergangen und die Begierden sind zur Ruhe gekommen. Das bedeutet Glück.

Was heilig ist bestimmt jeder selbst. Da ist ein Klapperbus voll uralter Tibeter die in der glühenden Hitze in dickster Wintervermummung rituell das Gelände umrunden. Und andere, die nur darauf aus sind, kleine Geschäfte zu machen oder Opfergaben zu klauen. Das Überleben ist auch in Bodhgaya nicht so einfach.

Nahe an den Außenmauern des Haupttempels in der Nähe der prachtvollen alten Steinumfriedung sitzt inmitten der vielen Praktizierenden ein alter Mann in gelber Seide. Er sitzt dort den ganzen Tag und verrichtet still und gelöst seine Übungen. Ich sehe ihn immer wieder an seinem Platz. Sein Gesicht zeigt den tiefen heiteren Frieden eines lebenden Buddha.

Und dann fühle auch ich es. Die Energie entschädigt für eine weite Reise. Kaum irgendwo habe ich dergleichen erfahren. Ich sitze und sitze und versinke in einen Zustand, wie ich ihn nur selten so intensiv und tief erfahren habe.

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